Die jüngsten Stürme haben den heimischen Schutzwäldern schwer zugesetzt. Rund 1.600 Hektar sind zerstört worden. Derzeit wird geprüft, wie viele Siedlungsräume zusätzlich gesichert werden müssen, bis betroffene Waldstücke wieder eine Schutzfunktion erfüllen können.
Rund 1.600 Hektar Tiroler Schutzwald sind bei den jüngsten Unwettern und Stürmen zerstört worden. Um diese riesige Menge Bäume abzutransportieren, bräuchte es rund 16.000 Lkws mit Anhänger. Expertinnen und Experten werten derzeit aus, wie viel von diesen in Zukunft fehlenden Bäumen bisher Siedlungsräume vor Naturgefahren bewahrt haben.
Wichtige Schutzwälder schwer geschädigt
Besonders schwer getroffen hat es Schutzwaldstücke im Zillertal, im Ötz-, Pitz-, Stubai- und Wipptal, erklärte der Leiter der Sektion Tirol der Wildbach- und Lawinenverbauung, Gebhard Walter, gegenüber dem ORF Tirol. Aus seiner Sicht sind das sehr, sehr alpine Bereiche mit überaus steilen Hangflanken. Vielfach sind es auch klassische Regionen mit vielen Wildbach- und Lawinen-Einzugsgebieten. Deshalb ist es doppelt tragisch, dass der Sturm dort so stark gewütet hat“ – mehr dazu in 25 Millionen Euro nach Unwetterschäden.
Viele Gebiete in Extremlagen sind schwer zu erreichen. Es werde Langstrecken-Seilkräne und auch Hubschrauber brauchen, um diese Flächen zu bearbeiten, ehe Borkenkäfer sich in den verbleibenden Waldflächen ausbreiten können und noch mehr Schaden anrichten.
Bäume müssen jahrzehntelang heranwachsen
Erst wenn das Schadholz entfernt ist, können weitere Schritte gesetzt werden. Derzeit sei deren Umfang noch gar nicht abschätzbar, so Walter: „Vielfach liegen etwa Wurzelstöcke frei. Dadurch könnten Geröll und Steine herabstürzen und noch größere Gefahren bringen.“
Das Ziel sei natürlich, rasch und gezielt wieder einen tragfähigen Schutzwald herzustellen, um das entstandene Risiko möglichst gering zu halten. Es dürfte allerdings 20 bis 30 Jahre dauern, bis die aufgeforsteten Jungwälder wieder ausreichend stabil sind, um diese Schutzfunktion auch zu erfüllen. Ein optimaler Schutzwald setze sich zudem immer auch aus verschieden alten Bäumen zusammen.
Bis der Schutzwald nachgewachsen ist, gibt es Gegenden, die in der Zwischenzeit anders vor Naturgefahren bewahrt werden müssen. Laut Gebhard Walter werden derzeit etwa im Unterland ein Steinschlag-Schutzprojekt gebaut, um den jetzt dort fehlenden Schutzwald so zu ersetzen und Gefahren abzuwenden.
Lawinenkommissionen werden gefordert sein
Der Experte glaubt, dass die Tiroler Lawinenkommissionen im Winter enorm gefordert sein werden, die neue Situation an den Hängen zu beurteilen. Aus der Sicht von Sektionsleiter Walter muss man in den nächsten Jahren die Situation immer wieder sehr genau anschauen und vielleicht sogar mit Sperren reagieren. Vielleicht wird es auch ergänzende Lawinenverbauungen, Steinschlag- oder Gleitschneesicherungen brauchen. Schutzbauten würden ja auch dem Jungwald helfen, gut in den steilen Hängen anzuwachsen, so Walter. Es werde jedenfalls einiges an Arbeit auf die Verantwortlichen zukommen.
Tirol sei prinzipiell sehr gut ausgestattet, was den Umgang mit Naturgefahren angehe, betonte er. Dennoch dürfe man nicht glauben, dass die Schutzwald-Pflege ein „Selbstläufer“ sei. Es brauche weiterhin viel geschultes Personal und auch die nötigen finanziellen Mittel, um alle Aufgaben zu meistern.
Herausforderungen werden größer
In Summe müsse der Tiroler Wald derzeit jedenfalls viel und auch immer mehr aushalten, resümierte der Leiter der Wildbach- und Lawinenverbauung des Landes: „Im Sommer sind es Hitzestress und Waldbrände – aber auch die Wintermonate sind zunehmend zu trocken. Die Klimaerwärmung ist zudem für viele Baumarten sehr grenzwertig. Dazu kommen Stürme und Starkwetterereignisse. Das macht die größten Probleme. Wir kämpfen mit einem großen Waldverlust, brauchen diesen Wald aber dringend als Schutz vor Steinschlag, Lawinen, Erosion und Muren.“
Fehlt der Schutzwald, zeigt sich erst, welche Rolle er für Tirol spielt. Viele Auswirkungen der jüngst entstandenen Lücken werden wohl erst in den nächsten Monaten und Jahren zu spüren sein.
Weiterführende Informationen zum Thema "Schutzwald und Naturgefahren im Bundesland Tirol".
Artikelquelle: Roberta Hofer, tirol.ORF.at, vom 6. August 2023