Schutzwaldstandorte im Klimawandel am Beispiel der dynamischen Waldtypisierung Steiermark

Die Standortsbedingungen in österreichischen Wäldern verändern sich durch den Klimawandel. Bisher wurde in der Standortskartierung ein statischer Ansatz verfolgt, indem die grundlegenden Standortsfaktoren Wärme-, Wasser- und Nährstoffhaushalt über zumindest eine Umtriebsperiode als konstant angesehen wurden.

Klimawandel

Um dem Klimawandel Rechnung zu tragen, wurde im Gemeinschaftsprojekt "FORSITE – dynamische Waldtypisierung Steiermark" unter der Leitung der BOKU ein klimadynamischer Ansatz angewandt, der Klimawandelszenarien zur Charakterisierung von Waldstandorten berücksichtigt.

Damit liegt eine Planungsgrundlage für sämtliche Waldstandorte für die forstliche Praxis vor, eine dynamische Standortskartierung im operativen Maßstab von zirka 1:30.000. In derselben Auflösung werden modellierte Themenkarten zu Bodenkennwerten, geologischen Informationen, klimatischen Parametern und Baumarteneignungen bereitgestellt. Die Klimaentwicklung im Alpenraum hat sich deutlich von der globalen Erwärmung entkoppelt. In Österreich liegt die durchschnittliche Temperatur in der Klimanormalperiode von 1991-2020 um etwa 1,3 °C über der durchschnittlichen Temperatur der Klimanormalperiode von 1961-1990 und knapp 2 °C über jener der vorindustriellen Periode (1850-1900). Dieser Anstieg entspricht in etwa dem Doppelten des globalen Mittels.

Für die dynamische Waldtypisierung wurden neben dem aktuellen Klima (Klimaperiode 1989-2018) zwei Emissionsszenarien mit jeweils zwei Klimaperioden (2036-2065 & 2071-2100) berücksichtigt: ein Szenario mit mäßigen Klimaschutzmaßnahmen (RCP4.5) und eines mit geringen Klimaschutzmaßnahmen (RCP8.5). 

Erhöht sich die Temperatur um 0,5 °C, verschieben sich die Höhenstufen um etwa 100 Höhenmeter. Die neuen thermischen Verhältnisse werden zu einem starken Wandel der Standortseigenschaften und der Baumartenzusammensetzung in der Steiermark führen.
Zusätzlich hat der Klimawandel einen Effekt auf die Niederschlagsintensität, die pro 1 °C um etwa 7 % ansteigt. Damit einhergehend wird das Auftauen von Permafrostbereichen verstärkt, was eine Zunahme des Potenzials für gravitative Massenbewegungen erwarten lässt. 

Zwei Emissionsszenarien

Das RCP4.5-Szenario zeichnet sich durch steigende Treibhausgasemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts aus und prognostiziert bis zum Ende des Jahrhunderts einen mittleren Temperaturanstieg von etwa 2 °C im Vergleich zu 1989-2018.

Das RCP8.5-Szenario stellt ein Klimaszenario mit konstant steigenden Treibhausgasemissionen dar und weist bis zum Ende des Jahrhunderts eine Temperaturerhöhung von etwa 3,5 °C im Vergleich zu 1989-2018 auf.

Dynamische Waldtypisierung liefert Werkzeuge für Planung

Insbesondere Schutzwaldstandorte werden in den kommenden Jahrzehnten neben den Herausforderungen wie etwa Wildverbiss und Verjüngungsdefizite mit weiteren biotischen und abiotischen Störungen konfrontiert. Die dynamische Waldtypisierung stellt Werkzeuge bereit, um resiliente, widerstandsfähige und anpassungsfähige Waldbestände, die die Schutzwirksamkeit gewährleisten, zu planen und zu erhalten.

Infolge der Klimaerwärmung werden sich die Laub- und Mischwaldzone flächenmäßig stark ausbreiten und die aktuell im Gebirgsraum etablierte Nadelwaldzone zunehmend verdrängen (Abb. 1). Bis zum Ende des Jahrhunderts wird im RCP8.5-Szenario die sehr warme Laubwaldzone, die unter aktuellen klimatischen Verhältnissen noch nicht vertreten ist, weite Bereiche des steirischen Beckens einnehmen. Die Laubwaldzone wird sich weit in den Gebirgsraum ausdehnen, während sich die Nadelwaldzone in die höchsten Bereiche der Steiermark zurückzieht.

Dies wird am Beispiel von frischen bis sehr frischen subalpinen Fichtenwaldstandorten auf sauren Ausgangsgesteinen deutlich, die sich im Mittel auf etwa 1.700 Meter Seehöhe befinden. In beiden Klimaszenarien werden keine drastischen Änderungen der Bodenwasserhaushaltsverhältnisse bis zum Ende des Jahrhunderts erwartet. Jedoch wird sich die Jahresmitteltemperatur von aktuell 3,2 °C auf 5,3 °C (RCP4.5) bzw. 6,5 °C (RCP8.5) erhöhen. Dies würde bedeuten, dass sich subalpine Fichtenwald-Standorte hin zu Fichten-Tannenwald-Standorten und Fichten-Tannen-Buchenwald-Standorten entwickeln, wie sie derzeit auf 1.300 und 1.000 Seehöhe anzutreffen sind (Abb. 2).

Diese veränderten Rahmenbedingungen führen zu einem erhöhten Risiko in Bezug auf Borkenkäferbefall. Die Förderung der Widerstandsfähigkeit, Resilienz und Anpassungsfähigkeit ist aufgrund der Höhenlage, der Nährstoffversorgung und damit der Baumartenvielfalt jedoch nur eingeschränkt möglich. Aktuell wird empfohlen, in die Bestände Lärchen und Zirben einzubringen. Im Laufe des Jahrhunderts wird das künstliche Einbringen von weiteren Baumarten wie Tannen und Buchen möglich, wobei die thermischen Voraussetzungen derzeit meist noch nicht gegeben sind (Frostgefahr). 

Biotische Störungsfaktoren: Verbiss, Schälungen, Schädlingsbefall durch Insekten, Pilze und Bakterien.

Abiotische Störungsfaktoren: Dürre, Waldbrand, Sturmereignisse, gravitative Massenbewegungen.

Spezialfall Kalkstandorte

Von besonderer Bedeutung für den Standortschutz sind Wälder auf sensiblen Kalkstandorten mit dem Bodentyp Rendzina (Abb. 3).

Störungen, die zu einem lichten oder fehlenden Kronendach führen, können durch Veränderungen der mikroklimatischen Verhältnisse zu einer raschen Mineralisierung der organischen Substanz und Erosion durch Niederschlag verursachen. Daher neigen diese Standorte zur Bodendegradation. Diese Waldstandorte sind vor allem in steilen Lagen mit südlicher Exposition einer zunehmenden Trockenheit ausgesetzt. 

Dies zeigt sich am Beispiel von mäßig frischen Buchenwald-Standorten auf rückstandsarmen Karbonatgesteinen, die sich im Mittel auf etwa 900 Meter Seehöhe  befinden. Ende des Jahrhunderts werden sich diese Standorte zu einem mäßig trockenen Eichen-Buchenwald-Standort der milden Laubwald-Zone (RCP4.5) bzw. trockenen (sub)mediterranen Eichenwald-Standort (RCP8.5) verändern. Um hier die Schutzfunktion zu sichern, ist insbesondere in Fichten-Reinbeständen ein hoher Anpassungsdruck vorhanden. Eine Diversifizierung der Baumartenzusammensetzung ist anzustreben. Buche, Mehlbeere, Schwarzkiefer und Spitzahorn sind für einen Standortschutz prädestiniert. 

Das Projekt FORSITE „dynamische Waldtypisierung Steiermark”, finanziert von Bund, Land Steiermark und EU, bietet erstmals die Möglichkeit, die zu erwartenden Änderungen an einem Waldstandort bis zum Ende des Jahrhunderts unter verschiedenen Klimaszenarien vorherzusehen. Waldbauliche Maßnahmen können zielgerichtet gesetzt werden, um die Vielzahl an (Schutz-) Waldfunktionen nachhaltig zu gewährleisten. 

FORSITE Steiermark

Laufzeit: 1. Juli 2018 bis 30.Mai 2022.

Auftraggeber: Land Steiermark / Landesforstdirektion, LE-Projekt

 

Originalartikel

Kessler, D.; Klebinder, K.; Huber, T.; Leitgeb, E.; Englisch, M. (2023): Schutzwaldstandorte im Klimawandel am Beispiel der dynamischen Waldtypisierung Steiermark. BFW-Praxisinformation 56: 7-9

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Autoren
David Kessler, Klaus Klebinder, Tobias Huber, Ernst Leitgeb, Michael Englisch

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David Kessler
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Veröffentlicht am 26.07.2023