Wie wird der Wald klimafit? — Wissenschaft trifft Praxis

Wie bleibt der Wald widerstandsfähig, wenn Klimaextreme zunehmen und sich Standortbedingungen verändern? Im länderübergreifenden Interreg-Projekt Winalp21 suchen Wissenschaft und Praxis nach Antworten – theoretisch im Seminarraum, praktisch im Gelände des Höllengebirges.

Projekt Winalp21

Im Rahmen des Projekts Winalp21, das sich mit der klimafitten Zukunft alpiner Wälder beschäftigt, trafen sich im Juni 2025 Expert:innen aus Österreich und Deutschland zu einem zweitägigen Fachaustausch an der Forstlichen Ausbildungsstätte Traunkirchen. Der Auftakt: ein intensiver Tag voller Vorträge, Diskussionen und Perspektivenwechsel. Im Fokus standen die Herausforderungen, denen sich Waldbewirtschafter:innen heute stellen müssen – und künftig noch verstärkter stellen müssen.

Im Zentrum der Diskussionen stand dabei nicht nur die angepasste Baumartenwahl, sondern auch das komplexe Zusammenspiel von Wasserhaushalt, Nährstoffausstattung des Bodens und klimatischen Faktoren, welches gerade in den Alpen mit ihrer kleinteiligen Landschaftsgliederung von entscheidender Bedeutung ist. Das heißt, dass jeder Standort unterschiedlich auf die Veränderungen im Klimawandel reagiert und einfache „Kochrezepte“ zu kurz greifen – oder „das Richtige am richtigen Ort zu tun ist“, wie Winalp21-Projektleiter Jörg Ewald von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf prägnant formulierte. Denn das Klima im Alpenraum wandelt sich regional auch durchaus unterschiedlich. Das hat direkte Auswirkungen auf das Wärmeangebot, das Wasserangebot und damit auch auf das Wachstum und die Überlebensfähigkeit von Bäumen.

Der Austausch am ersten Tag machte deutlich: Der Schlüssel zu einem resilienten Wald liegt nicht in simplen Antworten, sondern in differenzierten, standortspezifischen Entscheidungen. Welche Baumarten kommen mit welchen Böden zurecht? Welche Wurzelsysteme wirken auch bei Starkregen stabilisierend? Wie verändern sich die Konkurrenzverhältnisse zwischen den Baumarten? Eines kam bei allen Vorträgen durch: Der Bergwald wird sich in Zukunft verändern – wie stark diese Veränderung sein wird, hängt davon ab, welcher Weg zur Einsparung von klimarelevanten Emissionen eingeschlagen wird: der „grüne“ Weg, der mittlere Weg oder der „fossile“ Weg.

Tag 2: Das Höllengebirge als Lern-Werkstatt

Am zweiten Tag ging es hinaus in den Wald – genauer gesagt ins Höllengebirge, auf eine rund 1000 Meter hoch gelegene Demonstrationsfläche der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) im Schutzwald, welche von der Universität für Bodenkultur (BOKU) seit mehr als einem Jahrzehnt betreut wird. Hier, auf einem Fichten-Tannen-Buchenwaldstandort der mäßig kühlen Mischwaldzone, sollte das theoretisch Besprochene gemeinsam mit dem Revierleiter Martin Stürmer und forstlichen Praktiker:innen mit der Realität vor Ort abgeglichen werden.

Der Boden: eine komplexe Mischung aus Fels-Auflagenhumusböden bis hin zu Kalklehm-Rendzinen auf Wettersteinkalk. Robust – und doch vulnerabel. Genau hier schlugen in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Naturereignisse zu: der Orkan Kyrill 2007, gefolgt von den Stürmen Paula und Emma 2008, sowie weitere Windwürfe und eine massive Borkenkäferkalamität im Winter 2009 verwandelten einen geschlossenen Bestand weitgehend in eine Kahlfläche. Wie ging es weiter?

Gemeinsam machte man sich ein Bild davon, wie die Fläche wieder bewaldet wurde – und was gelungen ist, was nicht. Deutlich wurde: Der Waldumbau ist ein langwieriger, störanfälliger Prozess. Die Hanglage machte das Gebiet besonders anfällig für Erosion, was gezielte Schutzmaßnahmen erforderte.

Bereits 2010 wurde ein Wildschutzzaun errichtet, der helfen sollte, die Verjüngung vor Verbiss zu schützen. Kulturpflegemaßnahmen außerhalb des Zauns erforderten deutlich mehr Aufwand und waren trotz begleitendem Wildtiermanagement nicht immer sofort erfolgreich. Dennoch konnte im Jahr 2023 der Zaun entfernt werden – ein deutliches Zeichen dafür, dass ein langfristig aufrechterhaltenes, konsequentes Wildtiermanagement funktionieren kann.

Baumartenwahl als Balanceakt

Welche Baumarten eignen sich unter diesen Bedingungen? Auch die Praxis zeigte: Einfache Antworten gibt es nicht. Aufforstungen mit Lärche etwa litten in den vergangenen Trockenjahren unter starkem Ausfall. Auf den schnellen Wuchs in den ersten Jahren folgte ein rasches Absterben aufgrund der fehlenden Verfügbarkeit ihres spezifischen Nährstoffbedarfs. Die Weißtanne, potenzielle Hoffnungsträgerin des Waldumbaus, hat es schwer – oft wegen Konkurrenzdrucks, aber auch aufgrund von Humusabbau und Nährstoffmangel nach den Windwürfen.

Gleichzeitig zeigen sich auch positive Entwicklungen: Naturverjüngung tritt auf – wenn auch nicht von den an sich konkurrenzstarken Arten wie Buche oder Tanne, sondern von Pionierbaumarten wie Zitterpappel und Weiß-Kiefer, aber auch Bergahorn und Ulme. Diese Arten tragen zur Artendiversität bei – und möglicherweise auch zur Resilienz gegenüber Klimarisiken.

Wissenschaft und Praxis im Dialog

Das Projekt Winalp21 verdeutlicht exemplarisch die vielfältigen Herausforderungen, mit denen sich die Alpenwälder im Klimawandel konfrontiert sehen. Dabei geht es nicht nur um die Wahl geeigneter Baumarten, sondern um grundlegende Fragen einer standortangepassten und langfristig tragfähigen Waldbewirtschaftung. Jeder Standort stellt eigene Anforderungen, weshalb differenzierte, auf lokale Gegebenheiten abgestimmte Ansätze notwendig sind. Forschung und Praxis arbeiten im Rahmen von Winalp21 eng zusammen, um daraus übertragbare Prinzipien für resilientere, artenreichere und klimaangepasste Waldökosysteme abzuleiten.

Auch wird von der Universität für Bodenkultur durch Klaus Katzensteiner in Kooperation mit anderen Projektpartnern eine Broschüre mit ausgewählten Exkursionsflächen erarbeitet, die Problemfelder praxisnah und exemplarisch vermittelt.

„Diskussionen wie diese sind essenziell, um komplexe Standortfragen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten“, resümiert Standortexperte Michael Englisch (BFW). „Nachhaltige Strategien entstehen dort, wo Beobachtung, Austausch und praktische Erprobung ineinandergreifen.“

Für die forstwirtschaftliche Praxis heißt das schnell skizziert: Pflege der Humusschicht, Förderung der Kohlenstoffspeicherung des Waldes und damit auch der Wasserspeicherfähigkeit des Bodens. „Totholz im Wald zu belassen, hilft nicht nur der Naturverjüngung, sondern trägt dazu bei, der Trockenheit im Wald entgegenzuwirken“, waren sich die Exkursionsteilnehmer:innen einig.

Insgesamt machte die „Lernwerkstatt Höllengebirge“ klar, dass standortkundliches Know-how zusammen mit konsequentem Wildtiermanagement auch in schwierigen Situationen – auf Karbonat-Standorten mit Gefahr für Verkarstung – zum Erfolg führen kann.

Rückfragen zum Projekt: Michael Englisch
michael.englisch@bfw.gv.at

Presseanfragen: Marianne Schreck
marianne.schreck@bfw.gv.at

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Veröffentlicht am 02.09.2025

Kontakt

DI Christian Lackner Bundesforschungszentrum für Wald - Öffentlichkeitsarbeit
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